Aktuell 06.05.2020 (Archiv)
Umwelt und Klima profitieren vom Diesel
Alle reden von der Elektromobilität. Gerade Volkswagen hat sich das Thema auf die Fahnen geschrieben. Und doch werden in den nächsten Jahren auch aus VW-Fabriken immer noch weitaus mehr Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren rollen als mit Elektroantrieb.Für ihre neuen Dieselmotoren haben die Wolfsburger nun ein Verfahren entwickelt, das den Selbstzünder als Saubermann rehabilitieren könnte – genau passend zur aktuellen Diskussion um technologieoffene Kaufanreize. Totgesagte leben länger.
In der öffentlichen Diskussion gehört der Dieselmotor inzwischen zum alten Eisen, der von (g)eifernden Klimaschützern und geschäftemachenden „Umwelthelfern“ zur Stickoxid-Schleuder der Nation verbrämt wurde – was nun allerdings die unverändert hohen Messwerte trotz Minimalverkehr in Corona-Zeiten gerade Lügen strafen. Tatsächlich jedoch werden in den nächsten Jahren noch sehr viele Autos mit Dieselmotoren von den Bändern rollen. Nicht nur, weil ohne sie die geplanten CO2-Flottenverbrauchs- und EU-Klimaziele nur schwer zu erreichen sind.
Diesel werden allen Unkenrufen zum Trotz unverändert bei den Autokäufern ob ihres kräftigen Drehmoments, ihrer hohen Effizienz und Reichweite geschätzt. Will man abseits aller Visionen in der Realität da draußen wirklich das Klima schützen, sollten vielleicht ganz pragmatisch die Emissionen des Diesels drastisch reduziert werden.
Genau dieses Ziel hat VW jetzt mit einer neuen Generation von Dieselmotoren im Blick. Zeigen moderne Selbstzünder wegen der höheren Energiedichte des Kraftstoffs und des besseren Wirkungsgrads bereits die bessere CO2-Bilanz als jeder Benziner, sollen die EA 288 Evo genannten Aggregate mit einem neu entwickelten Abgasnachbehandlungsverfahren nun auch die Stickoxid-Emissionen um rund 80 Prozent reduzieren. Und zwar „nicht nur auf dem Prüfstand, sondern insbesondere im täglichen Betrieb des Fahrzeugs“, sagt Markus Köhne, Leiter der Dieselmotorenentwicklung bei VW. Ausgerechnet die Wolfsburger, die durch ihre Software-Tricksereien der Verbrennungstechnologie fast den Garaus gemacht hätten, könnten dem Diesel damit wieder zum Saubermann-Image verhelfen.
„Twindosing“ nennt sich das neue Verfahren, das mit Hilfe eines zweiten SCR-Katalysators (Selective Catalytic Reduction), der weiter weg vom Motor platziert ist, die Stickoxid-Emissionen über einen weiteren Temperaturbereich konvertieren, sprich: neutralisieren kann. Dafür wird Ammoniak benötigt, das als wässrige Harnstofflösung (AdBlue) über ein Dosiermodul ins Abgas vor dem jeweiligen SCR-Katalysator eingespritzt wird. Dort verdampft die Lösung – der Harnstoff wird gespalten und verbindet sich mit Wasserdampf zu Ammoniak. Im Katalysator reagiert das Ammoniak dann auf einer speziellen Beschichtung mit den Stickoxiden zu Wasser und harmlosem Stickstoff. Kurios: Trotz der doppelten Einspritzung soll der AdBlue-Verbrauch dabei durch eine effizientere Dosierung unverändert bleiben.
Katalysatoren funktionieren am besten in einem bestimmten Temperaturbereich. Beim „Twindosing“-Verfahren wird der motornahe erste SCR-Katalysator schnell erwärmt und funktioniert zügig nach dem Start. Der Idealbereich mit Konvertierungsraten von mehr als 90 Prozent liegt bei Temperaturen zwischen plus 220 und 350 Grad Celsius, wenn das Fahrzeug mit wenig Last bewegt wird. Der zweite Katalysator im Fahrzeugunterboden, der durch den größeren Abstand bis zu 100 Grad kühler ist, übernimmt danach, wenn das Auto stark belastet wird – etwa auf der Autobahn, bei hohen Drehzahlen oder bei Fahrten mit Anhänger. So arbeitet je nach Betrieb immer einer der Katalysatoren im optimalen Temperaturbereich und die schädlichen Stickoxide gehen runter.
Wie deutlich, hat VW von dem unabhängigen Prüfinstitut Emission Analytics in RDE-Straßenfahrten (Real Driving Emissions) mit einem Golf TDI mit 150 PS testen lassen. Danach lagen die Ergebnisse auf vier 80 bis 150 Kilometer langen „Hausstrecken“ des ADAC in Landsberg, AutoBild in Hamburg, auto, motor und sport in Stuttgart sowie rund um Wolfsburg mit 9 bis 19 Milligramm pro Kilometer „nah an der Grenze zur Nachweisbarkeit“ so Markus Köhne und weit unter dem EU-Grenzwert für den realen Fahrbetrieb von 80 mg pro Kilometer.
Erstmals im vergangenem Jahr im Passat 2.0 TDI Evo mit 150 PS eingesetzt, wird das „Twindosing“-Verfahren künftig in allen Dieselmotoren des neuen Golf sowie allen weiteren 2,0-TDI im Konzern eingesetzt.
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